„Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter.“
So fängt es an, eines meiner Lieblingsmärchen. Meinen Kindern habe ich Märchen vorgelesen, den Hortkindern auch. Auch das Erzählen hat seinen Reiz, weil die Geschichte dann jedesmal ein wenig anders wird.
In die Sprache fuchsen sich Kinder erstaunlich schnell ein. Da wird man auch gleich mal korrigiert, wenn es nicht mit dem Original übereinstimmt. Er schwatzt nicht einfach darauflos. Nein. Er hub an zu sprechen.
Meiner jüngsten Tochter hat das Märchen nicht gefallen, weil das Rumpelstilzchen so garstig und selbstverliebt ist. Das Männlein war fest davon überzeugt, dass er immer nur gewinnen kann. Immer! Das war einer, der einem zwar großen Reichtum verschaffen konnte, aber mit dem man doch lieber nichts zu tun haben möchte.
Meine ältere Tochter hat sich immer gefreut, wenn Rumpelstilzchen in der Erde versank. „Das hat er verdient“, meinte sie immer.
Das jüngste Kind meinte später mal, dass es durchaus symphatischere Bösewichter gibt. Und ein bißchen böse ist ja nicht immer schlecht.
Was will ich damit sagen?
Kinder können schon zeitig zwischen Gut und Böse unterscheiden und finden es gut, wenn das Böse das Nachsehen hat. Da kann es zwischendurch schon etwas grusliger zugehen. Es gibt ja auch noch Einsichten, das In-Ordnung-bringen, das Verzeihen.
Märchen erzählen hilft, Ängste abzubauen.
Mein Sohn hat bitterlich geheult, als sich Zwergnase veränderte, ihm die Nase in die Länge wuchs.
„Die Mutti erkennt ihn nicht mehr“, schluchzte er und die Tränen liefen.
Da war Angst, große Angst, dass man plötzlich alleine ist, Verlust erleidet. Gut, wenn man miteinander reden, Tränen wegputzen und trösten kann. Lernen, mit Gefühlen umzugehen finde ich wichtig.
Zwei Märchenstunden am Spinnrad bereite ich gerade vor.
Na klar, ich werde zeigen, wie die Wolle gewaschen, gekämmt und versponnen wird, ich werde aber auch zeigen, woran sich Dornröschen gestochen hat, warum die Spule der Goldmarie blutig war vom Spinnen und ob man wirklich doch Stroh zu Gold spinnen kann. Ich denke nicht, dass ich jemand trösten muss. Die Kinder kennen die Märchen bestimmt besser als ich und die Senioren nehme ich mit auf eine Reise in die Kindheit.


unfertig, in Arbeit
PS: Ich werde nicht nur das Spinnrad und meinen restlichen Krempel mitnehmen. Ich zeichne gerade etwas zu den Märchen und bin schrecklich gespannt, ob die Märchen erkannt werden.
Der Beitrag Sind Märchen zeitgemäß? Wer liest noch welche vor oder erzählt? erschien zuerst auf Spinnradgeschichten.