Damals und heute? Ach, eigentlich will ich nur von zwei Erlebnissen berichten, die mir beide, jedes auf eine andere Art, aus seine ganz spezielle, gut getan haben.
Es stört mich nicht, wenn ich beim Arzt warten muss. Zu lesen habe ich immer mit und so versinke ich schnell in eine andere Welt. Ich lese immer noch Victor Klemperers Tagebücher (1933 – 1945). Ich muss die Tagebücher öfter mal weglegen,
- weil sie mich die Schilderungen eines beklemmenden Alltags betroffen machen,
- weil anhand der Betrachtungen Klemperers die ganze Unmenschlichkeit eines Systems unbarmherzig aufgezeigt wird,
- aber auch, weil ich bei vielem eben auch Bezüge zu unserer Zeit herstellen kann.
Das, was der Höcke in Erfurt und anderswo labert, ist so neu nicht.
„Das liest meine Frau auch gerade“, sagte der Arzt, als ich im Behandlungszimmer das Buch weglegen wollte. Ich erzählte ihm kurz von meinen Beklemmungen, von dem, was mir beim Lesen durch den Kopf geht. Er nickte. „Ja, das sagt meine Frau auch.“ Es ist gut, zu wissen, dass es noch andere gibt, die sich Gedanken machen über die Menschen in der Gesellschaft damals und heute. Und die darüber reden.
Manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass entweder behrrlich geschwiegen wird oder sich laut angeschrieen.
Ich habe mir auch Klemperers „LTI“, die Sprache des dritten Reiches gekauft. Auch, wenn es wieder unbequem wird, ich werde es lesen. Es wird mir mehr über dieses Kapitel unserer Geschichte zu sagen haben als das wiederaufgelegte Buch des Nasenbärtigen.

Bei Klemperers wurde übrigens am Abend vorgelesen. Auch wenn Besuch da war.
Ach ja, das würde mir gefallen, einkuscheln im Sessel, die Hände an einer Tasse Tee wärmen und einfach nur zuhören. Zuhören und die Worte wirken lassen.
He, es ist Freitag. Und am Freitagabend macht Frank Manthey seine Sendung „Buchfink“ bei Radio Corax.
Ich bekam vorgelesen vom Feinsten. Danke, Emil, du Buchfink.
Der Beitrag damals und heute erschien zuerst auf Spinnradgeschichten.