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Channel: Gudrun, Autor bei Spinnradgeschichten
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Alle Fäden in der Hand zu halten ist nicht das Schlechteste.

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Die Fäden ziehen, alles hängt am seidenen Faden, das Seil fängt an einem Faden an zu faulen … Ich kenne so viele Sprüche, in denen es um Faden, Fäden, Fädchen geht.
Neulich sagte jemand zu mir: „Du schreibst ja ständig über dein Stricken.“
Ja. Warum auch nicht?
Wer kennt mich schon wirklich? Aber für eine tüdelige Handarbeits-Omi hat man mich schon gehalten.

Fäden: ein Paar Socken sind fertig, das andere Paar in Arbeit
Nur einige Fäden. Ein Paar Socken ist fertig, das andere in Arbeit.

Auch in dem elendsten Dasein gibt es ein Häkchen, an das ein Fädchen des Heils sich anknüpfen ließe.

Marie von Ebner-Eschenbach

Wie sind unsere Vorfahren mit Krisen umgegangen?

In letzter Zeit frage ich mich oft, wieso so viele meiner Mitmenschen gerade jetzt so leiden, ständig am Jammern sind, unzufrieden, sich zu kurz gekommen und eingeschränkt fühlen. Meinen Großeltern und Eltern ging es wahrlich nicht immer gut. Dass sie aber ständig eine Liste an Negativdingen vor sich her trugen, kenn ich so nicht.

Meine Mutter wurde im ersten Weltkrieg geboren, stammte aus einer armen Familie, obwohl mein Großvater täglich 12 Stunden unter Tage im Bergbau arbeitete. Einen Arzt konnte sich die Familie nicht leisten und manchmal gingen sie abends hungrig ins Bett.
Mutter erlebte Weltwirtschaftskrisen, noch einen Weltkrieg, eine schwierige Nachkriegszeit. Und trotzdem erzählte sie mir auch von vielen Begebenheiten, wo sie fröhlich war und lebensfroh, viel lachte.

Gut ja, sie agierten mehr gemeinsam als wir jetzt. Sie erzählte immer davon, wie sie im Krieg Zuckerrüben geklaut haben, sie geschält, geschnätzelt und im Waschhaus-Kessel zu Rübensirup gekocht haben. Zwei Stunden musste eine der vier Frauen im Haus den Sud ständig rühren. Dann wurde gewechselt. Eine allein hätte es nicht geschafft, 24 Stunden lang. Ist dies das Konzept, die Gemeinsamkeit? Kommt man mit „zuerst ICH und dann eine Weile nichts“ nicht mehr weiter?

Viele Fäden, mein Muster
Da hatte ich mir ja ein feines Muster ausgedacht. Zeitweise hatte ich vier Fäden auf einmal auf der Hand.

Beizeiten üben und wenn es mit Fäden ist

Ich wäre sehr dafür, dass man beizeiten übt, mit Krisen umzugehen. In so einer sehe ich uns heute.
Ich meine nicht, dass sich jeder einen Bunker unters Haus baut und voll Klopapier und Suppendosen stopft. Man sollte nur nicht dasitzen und warten, bis irgendwer die Rettung bringt oder sich einen Schuldigen suchen, an dem man sich dann abarbeiten kann.

Ach, mir ging es auch nicht immer gut. Ich bin ein Wendeopfer, sagte man mir auf dem Amt der Ämter. Das hat mir natürlich nicht weiter geholfen. Die Schafe, mit denen ich einige Zeit unterwegs war, deren Wolle und das Lernen, Fäden zu spinnen und irgendetwas zu schaffen, herzustellen, schon. Das hilft mir auch heute und ich komme mit allen Einschränkungen zurecht und vielleicht auch über die Zeit. Das Lachen zum Beispiel habe ich noch nicht verlernt. Und die große Langeweile plagt mich auch nicht.

viele farbige Fäden ergeben ein Muster
Fast fertig! Und dann gehen sie als Geschenk auf die Reise über den großen Teich.

Es ist mir egal, ob man mich für eine Handarbeits-Omi hält. Genauso ist es Wurst, dass ich manche mit meinen Fäden nicht unterhalte. Blog-Statistik habe ich ausgeschaltet. Ich komme über die Runden, fühle mich trotz allem wohl.
Mir reicht es trotzdem nicht. Da werden ich mich wohl noch etwas mehr ins Zeug legen müssen. Ich möchte nicht, dass die Zukunft „am seidenen Faden“ hängt. Aber dazu ein andermal.

Der Beitrag Alle Fäden in der Hand zu halten ist nicht das Schlechteste. erschien zuerst auf Spinnradgeschichten.


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