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Channel: Gudrun, Autor bei Spinnradgeschichten
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Mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst – das Tagebuch des Victor Klemperer.

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das Tagebuch des Victor Klemperer

Gestern habe ich das Tagebuch des Victor Klemperer über ZVAB bestellt, heute brachte mir mein freundlicher DHL-Mann das Weihnachtsgeschenk an mich selbst. Ich muss mir mein Bücherbudget immer abtrotzen.

Eigentlich ist das nicht ganz richtig. Das Tagebuch des Victor Klemperer, untergliedert in acht Bände, ist nicht nur für mich. Wenn ich es gelesen habe, werde ich es weiter geben, zuerst an meine Kinder.

„Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten“, lautet der Untertitel des Tagebuches. Ich werde es lesen bis zum letzten.
Meine Mutter meinte immer, dass es erschreckend ist, wie kurz das geschichtliche Gedächtnis ist und wie sehr sich doch vieles wiederholt. Manchmal bin ich froh, dass sie nicht mehr mitbekommt, was für ein unguter Geist schon wieder zu entstehen droht.

„Es wird sich nicht durchsetzen“, sagte mein Sozi-Opa damals. Und genau diesen Satz hörte ich vor einigen Tagen von einem guten Bekannten. Wirklich nicht?
Wenn ich die Tagebucheinträge Klemperers lese, diese kleinen, oft sehr persönlichen Geschehnisse und Gedanken, dann beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Eigentlich recht schnell entstand damals ein Rechtsgefüge, in dem Menschen- und Persönlichkeitsrechte nichts mehr galten. Wie man damit umgeht, sich fügt, dazu schweigt, ist keine Frage der Bildung. Professor Klemperer, einst geachteter Lehrer, wird alsbald mit Berufsverbot belegt und der Zugang zum Studentenhaus verwehrt. Auch von eigenen Studenten. Und der Rest? Er fügt sich. Und schweigt.

Es ist bald Weihnachten.
Weihnachtsmärkte locken und auch die Weihnachtsbäckerei. Die typischen Weihnachtsdüfte ziehen durch die Wohnung und im Radio singt ein Kinderchor Weihnachtslieder. Warum tue ich mir das Tagebuch des Victor Klemperer an? Weil ich mir Sorgen mache ob der vielen, kleinen und unguten Dinge, die um mich herum passieren. Ich habe richtig Angst, einiges davon so oder so ähnlich wieder zu finden in den Tagebüchern.
Ich werde mir auch noch Klemperers „LTI – Notizbuch eines Philologen“ erwirtschaften und lesen. Ich möchte davon erzählen.

Aus dem Tagebuch des Victor Klemperer, 21. Februar 1933, nachmittags:

Seit etwa drei Wochen die Depression des reaktionären Regimentes. Ich schreibe hier nicht Zeitgeschichte. Aber meine Erbitterung, stärker, als ich mir zugetraut hätte, sie noch empfinden zu können, will ich doch vermerken. Es ist eine Schmach, die jeden Tag schlimmer wird. Und alles ist still, duckt sich …

(Victor Klemperer, Tagebücher 1933-1934, Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1995, S. 6)

 

 

Der Beitrag Mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst – das Tagebuch des Victor Klemperer. erschien zuerst auf Spinnradgeschichten.


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