Braucht es die Mundart? Ist das das Fühlen von Heimat? Ist man doch mehr als man denkt mit der Scholle verbunden, auf der man aufgewachsen ist?
Manchmal dachte ich, dass es egal ist, wo man wohnt, weil man sich überall einfügen und wohlfühlen kann. Irgendwie stimmt das ja auch, aber dann wird einen recht sonderbar zumute, wenn Gerüche, Sehenswertes, Laute auftauchen, die man mit der eigenen Kindheit und Jugend verbindet.
Vor Tagen schenkte mir eine Freundin aus dem Literaturtreff Leipzig-Grünau ein Heftchen, welches sie auf dem Weihnachtsflohmarkt für mich erstanden hatte. Was hat sie mir da für eine Freude gemach! Danke, liebe Silke.
Ich hockte mich sofort in meinen Sessel und las mir die Gedichte laut vor. Es dauerte nicht lange, da war ich wieder drin im Sing-Sang der Sprache, in der Mundart, die ich als Kind immer gehört hatte. Die Alten sprachen noch so und wenn meine Oma sagte: „Gee mo denge henger un hul den Bahnert mit den Apern“ *, da wusste ich, was ich zu machen hatte.
Vieles aus meiner Kindheit fiel mir wieder ein, meine Oma, die mir mal mit dem „Uchsenziemer“** drohte (sie haute nie!) und der alte Mann, der uns Kindern immer etwas mitbrachte von seinem Feld oder aus dem Garten. Sie sprachen noch in der Mundart und nicht immer verstanden wir sie.
Nein, ich brauche keinen Heimatminister und auch keinen Zaun um ein Stücke Land, aber das Gefühl zu Hause zu sein, das brauche ich dann doch.
Vor einiger Zeit, in einer Veranstaltung, sagte mir ein Mann: „Sie stammen aber nicht aus Leipzig.“ „Wieso?“, fragte ich. „Na, weil Sie kein Leipzscher Sächsisch sprechen. Das ist Altenborgsch, Rositzer Altenborgsch.“ Da hatte er Recht und ich war erstaunt, wie gut manche hören können.
Da sitze ich nun heute, weit weg von der eigenen Kindheit, in meinem Sessel, lese und lache.
Die Altenburger haben nicht nur eine eigene, besondere Mundart, sie haben auch feinen Humor.
„Heng hong“ bedeitet hinten unten,
„salt hie“ heeßt hier und heeßt o dort,
mor „klächte“ frieher varzn’n Stunden,
un „Sauhoksch“ is e schlachtes Wort.
(aus „Wos de Leite su orzohl’n“ von Hans Daube)
Ich muss unbedingt meine Freundin Hella mal wieder anrufen. Das fällt mir jetzt mit Schrecken ein. Die weiß nämlich, was ein „Sauhoksch“ *** ist. Wir hatten uns darüber mal unterhalten und auch über einen solchen. 🙂
Gestern war so ein Tag, da hing ich ein bisschen durch. Ich habe meine Bandage im Sanitätshaus abgeholt. Dort sagte man mir, dass sie mir bei meiner Diagnose wenig helfen wird. Mmmmm!
Getröstet hat mich, dass ich einen neuen Zeichengriffel geschenkt bekam. Den musste ich natürlich sofort ausprobieren. Gar nicht schlecht, wie er in der Hand liegt und das ins Pad bringt, was ich will. MIt einem Verschen aus meinem Buch und dem gekritzelten Wahrzeichen von Altenburg beende ich jetzt mal meine Schwatzerei.
„Is Wohrzeechen von uns’rer Stodt,
dos wir vull Stulz besitzen,
zwee Tarmchen, die kee anrer hot,
das sin de Ruten Spitzen ****.“
* „Gee mo denge henger un hul den Bahnert mit’n Apern“ = „Geh mal da hinten hin und hol den Korb mit den Kartoffeln.“ (Apern sin Kortuffeln.)
** Uchsenziemer = Peitsche zum Viehtreiben
*** Sauhoksch = Saukerl, Haderlump (Das kann ein Lausbub sein, der die Kirschen geklaut hat, aber auch der Ehemann, der als chronischer Fremdgeher bekannt ist. 🙂 )
**** de Ruten Spitzen = die Roten Spitzen
Der Beitrag Die Mundart meiner Kindheit. De Altenborger Sprooche. erschien zuerst auf Spinnradgeschichten.